Druckmessung Vier Filzsättel im Test
Baumlose Filz-Sättel sind im Trend. Wie gut verteilen sie das Reitergewicht auf dem Pferderücken? Unsere Druckmessung von vier Modellen bringt Licht ins Dunkel.
Sie haben gerade keinen passenden Sattel? Oder Sie möchten mal ohne einen klassischen Baumsattel reiten, ohne Ihrem Pferd unbequem zu werden? Dann könnte ein Filzsattel eine Alternative sein. Er soll nicht nur Reiterpopos sicher und weich betten, sondern obendrein den Pferderücken vor punktuellem Druck schützen. Doch wie gut verteilen Filzsättel das Reitergewicht tatsächlich?
Vier Filzsattel-Modelle treten zum Test an: vom weichen Sitzkissen bis zum stabilen Sattelersatz. Die Hersteller Isabel Steiner, Krakeltier, La Selle und Ride in Balance bieten Testsättel an, damit Kunden Komfort und Passform zu Hause mit dem eigenen Pferd überprüfen können. Beim Kauf wird der Sattel individuell angefertigt (bei Isabel Steiner, Krakeltier und Ride in Balance). Der Filzsattel "Premium" von La Selle kommt mit Zubehör und kann vom Reiter selbst angepasst werden. Für unseren Test haben wir den Herstellern grobe Angaben zu Pferd und Reiter (Foto von der Rückenlinie des Pferds, Reitergewicht) mitgeteilt. Daraufhin wurden möglichst gut passende Testsättel ausgewählt und geliefert.
Die Druckmessungen im Schritt und Trab führen Dana und Çetin Ekin vom Team Satteltester mit einer digitalen Messmatte durch. Unter der Matte: Lusitano-Wallach Galano. Er hat einen kurzen, gut bemuskelten Rücken. Auf der Matte: Ausbilderin Anja Hass. Sie reitet regelmäßig ohne Sattel, auf dem Platz und im Gelände.
Bei unseren Druckmessungen sitzt die Reiterin ohne Steigbügel im Sattel, obwohl einige Hersteller ihre Filzsättel mit Bügelaufhängungen anfertigen. "Unserer Erfahrung nach entsteht bei baumlosen Sätteln, die mit Bügeln geritten werden, massiver Druck auf das Rückennackenband des Pferds", betont Dana Ekin. "Obwohl dieser Störfaktor ausgeschlossen wurde und die Testreiterin einen geschulten Sitz hat, haben wir bei einigen Filzsätteln deutliche Druckspitzen gemessen." Wo sie liegen und wodurch sie entstehen, lesen Sie auf den nächsten Seiten.
So testet CAVALLO
Zwischen den Pferderücken und die Filzsättel legen wir eine dünne Messmatte. Darin befinden sich 256 Sensoren, die den Druck messen. Eine Software erstellt anhand der Daten, die sie von den Sensoren erhält, ein visuelles Druckbild. So wird sofort sichtbar, an welchen Stellen der Sattel Druckspitzen auf dem Pferderücken verursacht und wie sich das Gewicht des Reiters verteilt. Das ideale Druckbild zeigt große gleichfarbige Flächen; deutlich abgegrenzte Punkte weisen auf Druckspitzen hin.
Pferdephysiotherapeutin Dana Ekin und Çetin Ekin haben für CAVALLO die Messungen durchgeführt und ausgewertet. team-satteltester.de
Premium von La Selle Das Premium-Modell von La Selle ist für alle Pferdetypen. Sitz-, Kissenpolster und Kissenkanalbreite anpassbar.
Mark II von Krakeltier
Fazit Hochwertiger Sattel, der individuell gefertigt werden muss. Der Testsattel lag bei Galano nicht im Schwerpunkt.
Der Sattel: Mit zwei Polstern. Das untere soll mehr Auflagefläche fürs Pferd bieten, das obere einen schmaleren Sitz für den Reiter. Der Mark II ist mit lederbelegtem Sattelblatt als Maßanfertigung im Wunschdesign ab 1.240 Euro zu haben.
Das Reitgefühl: Dieser Sattel liegt bei Galano nicht im Schwerpunkt und setzt die Reiterin nach hinten. Sie muss sich deshalb aktiv aufrichten, um ihr Becken nach vorne zu bringen. Zudem sitzt sie in diesem Sattel vermehrt nach links. Anja Hass spürt den Übergang vom Sitzpolster zum Sattelblatt unter den Oberschenkeln, was sie als störend empfindet. Die Polsterung ist fest und stabil. Die Reiterin hat deshalb den Eindruck, den Pferderücken weniger gut zu spüren.
Das Druckbild: Wirbelsäule frei, Druckspitzen am unteren Rand des Sattelblatts hinten (siehe Pfeil) und vorne.
Fazit: Hochwertiger Sattel, der individuell gefertigt werden muss. Der Testsattel lag bei Galano nicht im Schwerpunkt.
Comfort Plus von Isabel Steiner
Fazit Lässt die Reiterin bequem und dicht am Pferd sitzen, sodass korrekte Hilfengebung möglich ist. Die Passform sollte fachkundig gecheckt werden.
Der Sattel: Dieses Modell besteht aus verschiedenen Filzschichten, Schäumen und Polstern. Die spezielle Konstruktion soll die Wirbelsäule des Pferds entlasten und freihalten. Die ausgearbeitete Kammer soll sich auch für Pferde mit hohem Widerrist eignen. Ohne Steigbügelaufhängung. Testsättel verfügbar. Rund 450 Euro, in vielen Farben erhältlich. www.filzsattel.de
Das Reitgefühl: Dieser Sattel sieht aus wie ein Kissen. Und er fühlt sich auch so an: Weich schmiegt er sich an den Pferderücken und die Reiterin. "Ich sitze schmal und meine Beine liegen dicht am Pferd", betont Anja Hass. Der äußere Eindruck von Pferd und Reiterin bestätigt ihr Gefühl. Die Reiterin sitzt entspannt, das Pferd wirkt zufrieden.
Das Druckbild: Wirbelsäule frei, aber ungleichmäßige Druckverteilung. Da der Sattel kippelt, tauchen vermehrt Druckspitzen vorne, hinten sowie im seitlichen Bereich (siehe Pfeile) des Sattels auf. Die Experten vermuten, dass die Rückenlinie des Testpferds nicht zum Sattel passt. Vermutlich würde der Sattel bei einem Pferd mit höherem Widerrist besser liegen.
Fazit: Lässt die Reiterin bequem und dicht am Pferd sitzen, sodass korrekte Hilfengebung möglich ist. Die Passform sollte fachkundig gecheckt werden.
Rodear von Ride in Balance
Fazit Für gelegentliche Ritte auf einem baumlosen Sattel ok, der Riter sitzt jedoch zu weit weg vom Pferd.
Der Sattel: Der Lammfell-Filzsattel RiB-Rodear ist wie ein Sattel gearbeitet, soll aber aber das Gefühl vermitteln, ohne Sattel zu reiten. Mit Inlay aus Filz, das sich der Wirbelsäule des Pferds anpassen soll. Ohne Steigbügelaufhängung. Testsättel verfügbar. Ab 490 Euro, Einzelanfertigung nach persönlichen Angaben: Reitergewicht, Rückenform (viel oder wenig Schwung), Breite des Wirbelkanals (8 bis 12 cm). Farben: Schwarz, Braun, Dunkelbraun, weitere Farben auf Anfrage gegen Aufpreis.
Das Reitgefühl: Dieser Filzsattel mit wuscheligem Lammfellüberzug hat kurze Sattelblätter und liegt optisch wie ein Thron auf dem Pferderücken. Die Gurtstrippen setzen deshalb sehr hoch am Sattel an und drücken sich seitlich in den Pferdebauch. Die erfahrene Ohne-Sattel-Reiterin fühlt sich anfangs sehr unsicher in diesem Sattel. Sie sucht nach ihrer Balance – und ihrem Pferd.
"Ich spüre Galano kaum", stellt sie fest. Ihre Beine sind abgespreizt, und ihr Sitz fühlt sich schwammig an. Unter dem Bein spürt die Reiterin unangenehm die Gurtstrippen. Der Sitz fühlt sich härter an als bei den anderen Filzsätteln. Fürs Pferd ist dieses Modell weich gepolstert. Das Reitgefühl bessert sich nach einigen Runden imSchritt und Trab etwas.
Das Druckbild: Auch dieser Filzsattel bietet eine gute Wirbelsäulenfreiheit. Die Druckverteilung ist gut – vermutlich durch die dicke Polsterung, die der Reiterin jedoch das Gefühl gibt, zu weit weg vom Pferd zu sitzen.
Fazit: Wer hin und wieder ohne den normalen Baumsattel reiten möchte, schadet dem Pferderücken mit diesem Filzsattel nicht. Um korrekte Hilfen zu geben, sitzt der Reiter jedoch zu weit weg vom Pferd.
Premium von La Selle
CAVALLO-Favorit
Fazit Unser Favorit! Kann mit fachkundiger Hilfe gut angepasst werden. Verteilt den Druck und lässt korrekte Hilfengebung zu.
Der Sattel: Premium-Modell für alle Pferdetypen. Sitz-, Kissenpolster und Kissenkanalbreite anpassbar. Mit Bügelaufhängung und Klettpauschen. Ab 1.250 Euro. Farben: Grau, Natur.
Das Reitgefühl: Stabiler Sattel, den die Reiterin zunächst ohne Anpassung testet. Galano schlägt mit dem Kopf. Die Reiterin sitzt zu weit hinten; der Sattel liegt nicht im Schwerpunkt. Deshalb drückt die hintere Sattelkante in Galanos Lende, wie auch die ersten Druckmessungen zeigen. Wir polstern hinten mit einer mitgelieferten Einlage auf. Nun sitzt die Reiterin entspannt im Gleichgewicht.
"Meine Beine liegen dicht am Pferd", lobt Anja Hass. Der sensible Galano beruhigt sich allmählich. Er hat gezeigt, wie wichtig es ist, auch einen baumlosen Sattel anzupassen.
Das Druckbild: Wirbelsäule frei, Druckverteilung nach Anpassung gleichmäßig, wenn die Reiterin mittig sitzt. Druckspitzen im Bereich der hinteren (siehe Pfeile) und vorderen Ecken des Sattelblatts. Diese könnten vom Hersteller mehr abgerundet und somit entschärft werden.
Fazit: Unser Favorit! Kann mit fachkundiger Hilfe gut angepasst werden. Verteilt den Druck und lässt korrekte Hilfengebung zu.
Unsere Vergleichsmessungen
Reiterin Anja Hass, die für uns die Filzsättel testet, reitet in der Regel ohne Sattel oder mit einem Lederbaumsattel, an dem Steigbügel befestigt sind. Wir führen zusätzlich zur Filzsattel-Testreihe zwei Vergleichsmessungen durch: einmal ohne Sattel, einmal mit Lederbaumsattel. Ohne Sattel sitzt die Reiterin von Anfang an entspannter und korrekter auf dem Pferd als in den Filzsätteln. Denn in jedem Sattel muss sie sich zunächst ans andere Sitzgefühl gewöhnen – bei dem einen Modell mehr, bei dem anderen weniger. Das Druckbild (hier in einer Volte nach rechts) bildet ihren gewohnten, zentrierten "Komfort"-Sitz und bewusste Gewichtsverlagerungen ab. Im Lederbaumsattel fällt erhöhter Druck hinter dem Widerrist auf, erkennbar auf dem Druckbild an gelben Punkten (siehe Pfeil). Die Experten vermuten, dass dieser durch die Vorgurtstrupfe entsteht, die vermutlich am Kopfeisen befestigt ist. Durch den Zug wird der Sattel gegen die Pferdeschultern gedrückt. "Das sehen wir häufig bei dieser Art der Begurtung", erklärt Dana Ekin vom Team Satteltester. Die Bügelaufhängungen verursachen hier keine Druckspitzen (die gelb-roten Bereiche auf dem Druckbild entstehen durch das Reitergewicht). "Das erleben wir bei einem Lederbaumsattel selten", so die Expertin.
Ist es nun für das Pferd bequemer, wenn der Reiter auf einem Filzsattel oder ganz ohne auf seinem Rücken sitzt? Das hängt davon ab, wie gut der Filzsattel liegt, wie gut der Reiter sitzt und wie schwer er ist. "Reitergewicht wird durch eine dämpfende Unterlage kaum abgepuffert", so Çetin Ekin, "es muss über eine größere Auflagefläche verteilt werden. Das schafft nur ein passender klassischer Baumsattel."
Kommentar
Filzsättel sind im Trend. Es ist eigentlich eine gute Idee, mal etwas anderes als den üblichen Sattel aufs Pferd zu legen. So ein Filzsattel ist ja weich und kann nirgends drücken? Soweit die Theorie. Unser Test zeigt aber, wie unterschiedlich bequem sich verschiedene Modelle für den Reiter anfühlen. Und auch unser Testpferd war nicht mit jedem Filzsattel glücklich. Die Druckbilder decken teils deutliche Druckspitzen auf – vor allem dann, wenn der Sattel nicht zum Pferd passt. Auch ein Filzsattel sollte fachkundig angepasst werden, selbst wenn er nur ab und an genutzt wird.
Quelle: https://www.cavallo.de/reitsportausruestung/vier-filzsaettel-im-test-v1/